von Eule » Di 10. Dez 2019, 14:41
Wir leben in einer Zeit des großen Umbruches. Dieser Umbruch geht einher mit einer großen Unsicherheit, da uns ein Werteverständnis verloren gegangen scheint und eine Neuausrichtung noch ihre Zielperspektive sucht. Wir suchen eine Nähe und einen Raum, um unsere Welt zu verstehen, gleichzeitig suchen wir einen Abstand, um unseren Wohlstand zu erhalten und zu mehren. Wir erwarten von der uns umgebenden Gemeinschaft, dass diese unsere Individualität respektiert, sichert und vergessen oftmals dabei, dass auch die Gemeinschaft als Gemeinschaft Ansprüche hat, um als Gemeinschaft funktionieren zu können. Kurz gesagt, wir müssen lernen, vom Ich zum Wir zu kommen und nicht zu glauben, dass viele Ich's ein Wir ergeben können.
Einerseits wollen wir unsere Verantwortung an die Gemeinschaft abgeben und anderseits wollen wir in unsere Wünsche und Vorstellungen erfüllt sehen. Wir wollen, dass alle Menschen gleich behandelt werden, sich den gleichen Regeln unterwerfen, dass Keiner aus der Reihe tanzt. Aber wir wollen, dass dieses alles nach den Maßstäben abläuft, die wir (ich) als richtig empfinden, ohne zu fragen, ob der Andere es auch so will.
Diese Spannung zwischen den Widersprüchen des Gemeinwohls und des Eigenwohls empfinden wir als eine Belastung, die doch nicht vorhanden wäre, wenn alle die rechte Einsicht hätten und mein Leben leben würden. Das Leben wäre doch so einfach, wenn die Anderen dieses nur einsehen würden.
Konsequenz dieser Haltung ist es, dass viele Menschen Angst davor haben, eine eigene Meinung zu bilden. Denn mit der eigenen Meinung kann man schon mal anecken und auf Widerspruch stoßen. Also wird das Problem vorgetragen und um eine klare Auskunft, besser eindeutige Handlungsanweisung, gebeten. Und dann kommt von den Fachleuten eine butterweiche Antwort, von der der Antwortende ausgeht, dass dieses die meisten Menschen so hören wollen.
Wir wollen der Freikörperkultur insoweit einen Raum geben, in der die Nacktheit nicht mehr hinter abgeschlossenen Geländen gelebt und erlebt werden kann. Wir sehen, dass diese Reformbewegung nach dem II. Weltkrieg weltweit einen Knacks bekommen hat und jetzt auf die reine Nacktheit als solches reduziert wird. Wir verstehen es nicht mehr, die verschiedenen alternativen Lebensbereiche miteinander zu verknüpfen und daraus ein breites und vielfältiges Lebensangebot zu kreieren. Weil uns die Ursprungsgedankengänge unbekannt geworden sind, die seinerzeitigen Ausprägungsformen fremd geworden sind, reduzieren wir alles auf ein bloßes Handeln. Ein Handeln, welches keinen Sinn, keinen Wert vermittelt, wird ausdruckslos, leer und fad. Und dann wundern wir uns, dass die junge Generation dieser hohlen Handlungsform nicht mehr folgen will.
Weil wir unserer nudistischen, unserer naturalistischen oder freikörperlichen Handlungsform keinen eigenen Wert mehr geben können, können wir uns schlecht gegen Vorurteile wehren. Denn diese Vorurteile haben einen Wert, wenn auch in unseren Augen einen negativen. Warum erkennen wir in unserem Handeln keinen Wert, der eine Persönlichkeit formt, die die Belange des modernen Menschen mit denen der Natur verbindet? Warum vermögen wir es nicht, unser Verständnis eines natürlichen Lebens in unsere Gesellschaft einzubringen und diese so zu mehr Toleranz zu führen. Warum setzen wir uns nicht mit mehr Nachdruck für mehr Toleranz ein. Für mehr Toleranz der Nacktheit als solches gegenüber. Auch für Toleranz und Nachsicht denen gegenüber, die den Schritt der Befreiung des Körpers noch nicht machen können oder wollen?
Last uns von dem Entweder Oder zu einem So als Auch kommen. Last uns Vorurteile als solches aufzeigen und nicht diese übernehmen, um dann gegen diese angehen zu wollen. Last uns die Bereitschaft zur Übernahme der Eigenverantwortung stärken, auch wenn damit erst einmal ein Widerstand dagegen zu erwarten ist. So wie wir Individualisten sind, sind wir auch Mitglieder einer Gemeinschaft. Die Haltung einer Gemeinschaft kann ich nur verändern, wenn ich dieser Veränderung auch einen Wert zuweisen und erlebbar machen kann.
Der Standart jeder Freiheit heißt, personale Übernahme von Verantwortung für das eigene Handeln, Rücksichtnahme auf die Belange der anderen, soweit diese geboten ist, klare Darstellung der Werte, für die man steht und an denen man sein Leben ausrichtet. Der Standart der Freiheit bedeutet auch, Konflikte auszutragen und dieses in Fairness, Achtung und Respekt voneinander. Weiter der Gefahr zu entgehen und dieser entgegen zutreten, alles so zu vereinfachen, dass dann keine Konturen mehr erkennbar sind.