Also...ich versuchs, wieder kurz zu machen, auf alles kann ich nicht eingehen. Ist jetzt doch wieder länger geworden.

Campingliesel hat geschrieben:Ich glaube, das einzige, was Du und Eule und ein paar andere aus dem Beitrag von MaJu-BLN herausgelesen habt, ist die Tatsache, daß er Leute mit Piercings und Tattoos toleriert und nicht rausschickt
Meine Aussage ist ein bisschen anders. Ich wollte nicht zum Ausdruck bringen, dass wir Leute mit Tattoos und Intim-Piercings (einfach nur) tolerieren. Wir nehmen sie einfach gar nicht als etwas Besonderes oder Problematisches wahr (Tolerieren heißt ja, dass wir etwas dulden würden, was wir doch irgendwie besonders oder komisch finden, das Wort geht von einer - tendenziell negativen - Wertung dieser Merkmale aus, so als ob wir uns sagen würden: naja, ok, dulden wir das mal, auch wenns es eigentlich nicht ok ist).
Es ist aber einfach Teil der heutigen Alltagskultur - einfach stinknormal.
Das war schon auch meine Kernaussage, denn es ging in dem Thread, in dem ich das geschrieben habe, ja um das Thema Körperschmuck. Deswegen kann ich auch nachvollziehen, wenn darauf vorwiegend eingegangen wird. Der große Streitpunkt (soweit ich das mitbekommen habe, ich habe nicht alles gelesen), ist doch, ob diese Merkmale problematisch, unvereinbar mir der FKK sind, ob sie automatisch mit einer Verwechselung von FKK und Erotik einhergehen etc. - das würde ich aus meinen Erfahrungen und Wahrnehmungen verneinen und dafür habe ich etwas weiter (ok, ziemlich weit) ausgeholt. Ich wollte ja gerade darauf hinaus, dass das scheinbar Unvereinbare von Tattoos/Intimpiercings und dem Grundsatz von FKK als nicht-sexuelle Nacktheit überhaupt nicht unvereinbar ist.
Campingliesel hat geschrieben: und das einzige, was euch an seinem Beitrag stört, sind diese Sätze:
die unsexuelle, soziale Nacktheit fördern (
"wir möchten in Erinnerung rufen, wie schön jeder Körper ist, mit dem Ziel, Nacktheit zu enttabuisieren und zu entsexualisieren".
Und damit beweist auch er, daß die FKK zu sehr sexualisiert ist und die Prüderie darin ihre Ursache hat.
Dass sich Leute daran gestört haben, dass ich die unsexuelle soziale Nacktheit als wichtigen Aspekt von FKK hervorgehoben habe, habe ich auch nicht wahrgenommen. Es gab doch dazu nur Zustimmung?
Der Schlussfolgerung ("damit beweis auch er") kann ich nicht zustimmen.
Erstmal kann ich mich nur wiederholen. FKK wird - meiner Wahrnehmung nach - von jüngeren Leuten mit Spießigkeit, übertriebenen Regeln, Überalterung usw (ich habs ja schon ausführlicher beschrieben) assoziiert. Das hält sie davon ab. Dass man sich als junger Mensch sicher auch nicht von notgeilen Opis begaffen lassen möchte - ok. Aber die jungen Leute organisieren sich doch von selbst wieder außerhalb der traditionellen FKK in neuen Formen sozialer Nacktheit, die viel mehr mit den Grundsätzen der ursprünglichen FKK zu tun haben, als die meisten Vereine. Aber in die meisten FKK-Vereine kommen sie trotzdem nicht.
Zweitens war es doch schon immer das Ziel der FKK, Nacktheit zu entsexualisieren / zu normalisieren. Eine automatische Assoziation von Nacktheit und Sex/Erotik lässt sich doch ganz einfach darin begründen, dass wir in einer Kultur aufwachsen, in der wir uns für fast alle möglichen Tätigkeiten
außer Sex anzuziehen haben. Das ist ein simpler Konditionierungsprozess.
Wenn ich früh mit Nacktheit im Alltag aufgewachsen bin (z.B. in einer FKK-Familie) wie das wahrscheinlich zu den "Hochzeiten" der FKK etwas öfter der Fall war, mag ich das vielleicht nicht so verinnerlicht haben, für alle anderen ist es ein Lern- bzw. Umgewöhnungsprozess, soziale Nacktheit als unsexuell zu erleben (der mir vielleicht leichter fällt, wenn ich schon ein paar Erfahrungen dieser Art gemacht habe, z.B. nackt duschen im Schwimmbad, oder nacktes Saunieren). Das sieht man auch immer wieder an der berühmten Befürchtung von Männern, die noch unerfahren mit FKK sind, eine Erektion zu bekommen - sie wissen ganz genau, dass FKK und Sex nicht unbedingt verbunden sind, es ist auch nicht ihr Interesse, aber auf der hochautomatisch, emotional-physiologischen Ebene der Konditionierung sind diese Dinge gekoppelt, bis sie durch neue Erfahrungen entkoppelt werden.
Der Prozess der Dishabitutation, also des Entkoppelns, geht in der Regel ganz schnell, so wie auch eine Habituation selbst an starke konditionierte Ängste wie bei Phobien auch schnell geht*. Viele beschreiben, dass es am Anfang komisch ist, wenn sie z.B. bei uns das erste Mal beim Volleyball sind, es aber nach ein paar Minuten vergessen und sie gar nicht mehr merken, dass sie nackt sind.
Dieser Prozess der Dishabituation muss aber nicht auf alle anderen Situationen automatisch generalisiert werden (nur weil ich jetzt die Erfahrung gemacht habe, dass Nacktvolleyball ok ist, lerne ich nicht unbedingt, dass an einem nackten Spieleabend nichts Verwerfliches ist), was man daran sieht, wie unterschiedlich die Vorstellungen darüber sind, für welche Verhaltensweisen es akzeptabel ist, wenn sie nackt durchgeführt werden. Für manche ist es unanständig, wenn man drinnen nackt ist und nur der nackte Aufenthalt draußen ist akzeptabel. Für manche sind nur nackte Tätigkeiten akzeptabel, die mit Sport zu tun haben. Für manche kommt es darauf an, was bei den Tätigkeiten potentiell für das Gegenüber sichtbar wird (z.B. nacktes Yoga nur kreisförmig angeordnet; nicht so bücken, dass andere Personen dem eigenen Hintern zugewandt sind). Natürlich hat das auch damit zu tun, dass auch in der vermeintlich freien Welt der FKK Normen gelten, die stark wirken, bis jemand vielleicht mal eine gegenteilige Erfahrung macht.**
Aus meiner Sicht ist das nur eine Frage von Gewöhnung und simplen Lern- und Bewertungsprozessen.
Was hier natürlich (auch von mir) ausgeklammert wird, ist Scham. Der Mechanismus ist aber doch der gleiche - wenn ich lerne, dass ich mich zu allen möglichen Anlässen zu bekleiden habe und v.a. ganz bestimmte Körperpartien immer vor anderen zu bedecken habe, es also ein Tabu ist, bestimmte Körperteile vor anderen zu zeigen, löst es Scham aus, wenn ich in eine Situation komme, in der ich das nicht erfüllen kann. Dass dabei Normen, wie Körper auszusehen haben, eine verstärkende Rolle spielen, ist doch klar und unwidersprochen. Aber Normen und Schönheitsideale gab es doch schon immer, sie haben sich nur einfach verändert und die heutigen sind kaum noch zu erfüllen (v.a., wenn man halbwegs gesund bleiben will).
Hier hat die FKK eine ganz wichtige Funktion für die psychische Gesundheit und die befreiende Wirkung von FKK, die so oft beschrieben wird, lässt sich damit gut erklären. Ich kann ich selbst sein und die Beobachtung machen, dass quasi niemand diese Normen erfüllt, mit mir also alles in Ordnung ist, wenn ich sie selbst nicht erfülle. Ich kann also eine viel realistischere und gesündere Einstellung mir selbst ggü. entwickeln. Und ich muss mich für das, was ich bin - für meinen Körper - nicht schämen, ich muss ihn gar nicht verstecken.
*konditionierte Ängste: ein eigentlich harmloser Reiz wird durch eine negative Erfahrung (laienhaft: ein Trauma) an eine Gefahrensituation und Angst gekoppelt; z.B., wenn ich beim Geldabheben mit einer Pistole überfallen werde und der Geldautomat (eigentlich etwas harmloses) in Zukunft mit Gefahr assoziiert wird und Angst auslöst. Diese Kopplung kann ganz einfach wieder aufgehoben werden, wenn die Person sich wieder mit Geldautomaten und der damit verbundenen Angst konfrontiert und nach vielleicht einer halben Stunde die Erfahrung macht, dass nichts passiert und die Angst zurückgeht.