@ Hans H.
Da ich hajo kritisiert hatte wegen zeitweise nicht leicht nachvollziehbarer Argumentationen, will ich hier, einfach der Gerechtigkeit halber, auch an deinem Text etwas kritisieren, weil ich selbst beim dritten Lesen des Absatzes mit dem Inhalt nicht so recht klar gekommen bin: Es ist der Absatz mit dem Anfang: "An einem Beispiel möchte ich dieses verdeutlichen."
Danke für den Hinweis. Ich wollte nur zwei Möglichkeiten aufzeigen. Ich selbst habe zu dieser Frage selbst ganz bewusst keine Stellung bezogen, um die Gespräche hier nicht in eine bestimmte Richtung zu lenken. Dass ich eine Meinung hierzu habe, kann in meinem Buch, auf welches ich verwies, nachgelesen werden.
"Der Persönlichkeitsschutz nach unserer Verfassung umfasst nicht, davor geschützt zu werden, etwas zu sehen, das uns nicht gefällt und das wir nicht sehen wollen. Man könne etwas nur dann verbieten, wenn davon eine Gefährdung oder unzumutbare Belästigung anderer ausgehe. Aber allein vom Sehen bestimmter Kleidungsstücke gehe noch keine Belästigung aus."
Dieses ist die Auslegung eines Richters, der die Grenzen des Persönlichkeitsschutzes beschreibt.
Wenn das die geltende Rechts-Sicht ist, muss das doch vollkommen gleich auch für das Nackt sein gelten.
Spontan möchte ich dir zustimmen. Auch nach längerem Überlegen komme ich zum gleichen Schluss, deine Sichtweise ist richtig und voll unterstützungsfähig. Dieses ist unsere politische Zielvorgabe, zu einer solchen Aussage und zu einem solchen Verständnis möchte ich hin.
Der von dir hier eingebrachte Link
http://www.n-tv.de/ratgeber/Wann-macht-%20...%2056991.html macht genau auf diese Problemlage aufmerksam. Der § 183 a StGB lautet: "Wer öffentlich sexuelle Handlungen vornimmt und dadurch absichtlich oder wissentlich ein Ärgernis erregt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 183 mit Strafe bedroht ist.". Der § 183 a StGB stellt es ganz deutlich auf sexuelle Handlungen in der Öffentlichkeit ab. Nacktheit in der Öffentlichkeit als solches ist keine sexuelle Handlung und wird daher von dieser Rechtsnorm nicht erfasst. Die Begründung: "... und dadurch absichtlich oder wissentlich ein Ärgernis erregt, ..." ist kein Schutzargument, um sich vor einer Strafe schützen zu können. Es ist nämlich nicht möglich, unbeabsichtigt oder unwissentlich eine sexuelle Handlung in der Öffentlichkeit auszuführen. Sollte jemand jetzt hier mit diesem Argument kommen, er habe weder absichtlich oder wissentlich eine sexuelle Handlung in der Öffentlichkeit vorgenommen, würde er seine Zurechnungsfähigkeit anzweifeln und er müsste dann damit rechnen, in eine geschlossene Einrichtung untergebracht werden zu können.
Wenn Aria schreibt:
Wenn die Mehrheit meint, die Nacktheit kann als „grob ungehörige Handlung“ aufgefasst werden, dann ist dem so – eine logische oder rationale Begründung wird nicht gegeben, höchsten wird gesagt: Das ist bei uns so Sitte. Dagegen lamentieren kann man, aber ändern wird sich deswegen nichts, weil die Nacktheit von der Mehrheit in der Nähe der Sexualität sieht, die noch stärker tabuisiert ist und gar als Straftat gilt, wenn öffentlich ausgeführt.
, dann gibt sie in der Tat die Meinung einer recht konservativen, um nicht zu sagen kleinkarrierten und in rechtlichen Fragen unwissenden Bevölkerungsgruppe wieder. Eine "grob ungehörige Handlung" erfüllt auch dann keinen Straftatsmerkmal, selbst wenn dieses gegen die "guten Sitten" verstößt. Ein Straftatsmerkmal muss als solches im Gesetz aufgeführt oder in der "herrschenden Meinung" der Gerichte und rechtlichen Lehre als solches bezeichnet sein. Ich bin zwar kein Volljurist, aber eine solche Bestimmung wäre mir in meiner beruflichen Tätigkeit sicherlich untergekommen.
Dein zweiter Link
http://www.n-tv.de/ratgeber/Ist-Sex-auf%20...%2074741.html bezieht sich auf eine sexuelle Aktivität innerhalb einer öffentlich einsehbaren Fläche einer Mietwohnung. Hier greift das Mietricht und es wird hier auf den schwierigen Begriff des Hausfriedens Bezug genommen. Dieses ist ein Begriff des Mietrechts, kein Strafrecht und keine Frage des Ordnungsrechts.
@ hajo
Das Problem in unserer Rechtssprechung ist dabei jedoch immer das sog. "Sittengesetz", das es zwar nicht gibt, das aber - ähnlich wie der "gute Wille" (oder auch der böse...), wenn nötig, gern zitiert wird.
Das sog. "Sittenbgesetz" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff und muss vom Gericht im Einzelnen geprüft werden und überprüfbar sein. Puistola hat im alten Forum schon darauf hingewiesen, auch wenn er sich hier natürlich auf die rechtliche Situation der Schweiz bezog, dass dieses eine sehr schwierige Frage ist und daher nicht eindeutg beantwortet werden kann.
Und dieses besage ja nun einmal, dass man in der Öffentlichkeit "anständig" bekleidet rumzulaufen habe.
Nein, ein solches Sittengesetz gibt es nicht. Auch ist der Begriff "anständig" wieder ein sehr problematischer unbestimmter Rechtsbegriff.
§ 118, Belästigung der Allgemeinheit
(1) Ordnungswidrig handelt, wer eine grob ungehörige Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen.
Ich sagtre schon, dass dieses ein sehr zweifelhafte Norm ist, in Bezug auf eine öffentliche Nacktheit. Denn welche öffentliche Ordnung kann bereinträchtigt werden, wenn eine Person unbekleidet sich in der Öffentlichkeit bewegt? Nach meiner Auffassung greift diese Norm in keinem Fall. Ja, ich weiss, dieses wird immer so kommuniziert. Aber dieses ändert nichts daran, dass diese Bestimmung hier dann falsch ausgelegt wird.
@ Sauna
Endlich mal wieder ein sachbezogener Inhalt, zwischen den haarspalterischen, seitenlangen Beiträgen von Eule, Hans H, Aria et al.
Leider gestaltet sich die Betrachtung der Problemlage nicht so einfach, wie du diese zu sehen scheinst. Auch habe ich nicht den Eindruck, das hajo die Problemlage so simpel sieht, wie du dieses meinst.
@ Aria
Wenn die Mehrheit meint, die Nacktheit kann als „grob ungehörige Handlung“ aufgefasst werden, dann ist dem so – eine logische oder rationale Begründung wird nicht gegeben, höchsten wird gesagt: Das ist bei uns so Sitte.
Hier möchte ich deiner pessemistischen Haltung widersprechen. Nein, es ist so nicht. Die große Mehrheit der Bevölkerung, viele religiös eingebundene Menschen mögen diese Meinung vertreten. Aber dieser Irrtum wird nicht durch die Menge der Irrenden legalisiert.
Dagegen lamentieren kann man, aber ändern wird sich deswegen nichts, weil die Nacktheit von der Mehrheit in der Nähe der Sexualität sieht, die noch stärker tabuisiert ist und gar als Straftat gilt, wenn öffentlich ausgeführt.
Hier möchte ich dir Mut machen. Dagegen zu Argumentieren bringt doch etwas. Aber diese Änderung in der Meinung der Gegenseite braucht seine Zeit und man muss in dieser Zeit der Linie treu bleiben, das Nacktheit als solches mit der Sexualität nichts gemein hat. Die Nacktheit ist ein Zustand, nämlich das Fehlen von Kleidung. Sexualität ist ein Handeln. Das ist der grundlegende Unterschied.
Die Gesetze spiegeln den Willen der Mehrheit, was gut ist, aber für eine Minderheit wie uns ein Ärgernis.
So einfach ist die Sachlage nicht. Hier musst du erheblich differenzierter denken und argumentieren. Es gibt eine Vielzahl von Gesetzen, die wirklich nicht den Willen der Mehrheit darstellen, sonst würde nicht so konsequent dagegen verstoßen.
Gerne möchte ich dich mal auf die Frage der Moral, hier
ausdrücklich ohne Sexualmoral, hinweisen. Der Wandel in der moralischen Betrachtung der Menschen im geschichtlichen Überblick oder der gesellschaftlichen Positionierung kann dir helfen, diese enge Fixierung von Moral und Mehrheitsmeinung, ebenso von kirchlicher und nicht kirchlicher Betrachtung aufzuheben und dir deutlich werden lassen, wie unterschiedlich in gleicher Zeit und gleicher Gesellschaft die moralischen Vorstellungen, die moralischen Anforderungen und deren Umsetzung sich darstellen. Der schöne Satz: "Erlaubt ist alles, was nicht verboten ist!" oder "Verboten ist alles, was nicht erlaubt ist!" stimmt nicht. Moralische Normen (die guten Sitten) gehen über das Erlaubte oder über das Verbotene weit hinaus.
Es könnten also in einem solchen Bild (Quelle: Handelsblatt.com)
http://www.handelsblatt.com/images/verboten/14461314/2fo-rmat2010.jpg zusammen mit der Burkinifrau auch ganz Nackte zu sehen sein. Ja, diese deine Aussage findet meine Zustimmung.