Juhu,
Was für eine tolle Überraschung gestern früh der Blick nach draußen. Mein erster Schnee diesen Winter in Berlin:
Und auch so schöne Sonne, dass man tatsächlich so ein zwei Espresso auf dem Balkon trinken kann Die Schneedecke auf dem Tisch ist im Laufe der Zeit von links nach rechts weggeschmolzen, genau entlang der Schattenlinie die die Sonne vorher dort draufgezeichnet hat. Faszinierend.
Wie ich da so sitze, erinnere ich mich daran, dass ich schon lange mal von den tollen Nacktwandertagen in der sächsischen Schweiz weitererzählen wollte. Sorry, heute viel Text und erstmal wenig Bilder...
Fr. 9.Sep
Heute habe ich einige
lustige Begegnungen.
Aber erstmal (als bekennender Morgenmuffel) lasse ich den Tag wie gewohnt mit einem gemütlichen Frühstück ruhig angehen. Ich bin ziemlich kaputt noch von gestern, und habe keine Lust auf nochmal 14km Hin- und Rückweg zu Fuß, also beschließe ich mit der Tram nach
Beuthenfall zu fahren. Bin mir allerdings nicht sicher, ob die nackte Fahrgäste mitnehmen...
Außerdem habe ich zwei größere Probleme zu lösen. Da ich heute abreise, muss ich a)
mein Gepäck irgendwo lassen, und b) kann ich nach der Wanderung
nicht duschen, da ich um 18 Uhr im Zug sitzen muss. Wenn ich bedenke in welchem Zustand ich gestern zurückkam, fürchte ich, meine Mitreisenden werden über diesen Umstand nicht besonders erfreut sein.
Gepäck mitschleppen ist doof, in der Pension lassen auch unpraktisch, zwar hält die Tram direkt davor, aber trotzdem müsste ich dann auf die nächste warten. So oft fährt die hier nicht.
Schliessfächer haben sie in Beuthenfall ja leider auch nicht (genauso wenig wie Mülleimer, aber Parkticketautomaten hingegen schon), also entschließe ich mich, alles mitzunehmen, und es dort im Wald zu verstecken. So muss ich auch nicht nackt mit der Tram fahren.
Gutes Versteck habe ich schnell gefunden. Beim Aufstieg zur
Zwillingsstiege treffe ich zwei Typen, der eine schaut mich ganz entgeistert an, und meint,
"Ja ist sowas denn erlaubt?" Bevor ich richtig antworten kann meint er, ja, ihn störe das ja nicht, und ob ich auch zur Zwillingsstiege will, und wie ist die denn im Vergleich zur
Häntzschelstiege, die hätten sie gestern gemacht.
Ich erkläre, dass ich die schon ein paar Mal gemacht habe, und dass die nicht so schwierig ist wie zB. die
Rübezahlstiege. Da wird er hellhörig, denn die wollen sie heute auch noch machen, ob ich Ihnen den Weg dahin erklären kann. Nach meinen bisherigen Erlebnissen mit der Stiege muss ich ob der Frage etwas lachen, und versuche zu erklären, dass die wirklich sehr schwer zu finden ist, und auf den meisten Karten noch nicht mal eingezeichnet ist.
Sofort zückt er seine
Wanderkarte (so eine aus Papier zum Auffalten, manche kennen das vielleicht noch von früher)
"da ist jeder Weg drauf" (von wegen), und Überraschung, die Stiege ist drauf, aber kein Weg eingezeichnet, der dahin führt. Haha. Sehr hilfreich, aber sie sind trotzdem zuversichtlich sie zu finden.
Danach fängt er an zu erzählen, und mag gar nicht mehr aufhören. Bestimmt 10min geht das so, es sind schon mehrere andere Wanderer irritiert an uns vorbeigegangen. Irgendwann ist er bei einem Weihnachtsmarkt, bei dem eine ganz tolle Kinderband aufgetreten ist... Keine Ahnung wie wir dahin gekommen sind....
Ich kann die beiden schließlich doch noch abschütteln. Während ich dann endlich die Stiege hochklettere, höre ich von der Felswand gegenüber eine ganze Horde von Leuten, lautes Gejohle und Quatschen. Was da wohl los ist?
20min später biege ich oben auf dem Pfad um die Ecke, und stolpere mitten in eine
komplette Seniorenwandergruppe, bestimmt 40 Leute, die es sich dort zwischen den Felsen gemütlich gemacht haben, und mir begeistert zu johlen.
"Wir haben schon die ganze Zeit auf sie gewartet", meint der eine.
"Ach ihr wart das", meine ich,
"man hört euch ja schon den halben Vormittag bis runter ins Tal".
"Ja", meint er,
"die Damen freuen sich schon die ganze Zeit auf den schönen Mann."Viel Gelächter, mehr alberne Kommentare, die ich mehr oder minder schlagfertig erwidere, schließlich verbeuge ich mich leicht in die Runde, was spontanen Beifall auslöst, und gehe weiter.
Im oberen Teil der Häntzschelstiege klettere ich mich wieder zu meinem
Lieblingsfelsvorsprung. Da es doch recht schwierig zu erreichen ist, bin ich hier normalerweise alleine, aber heute höre ich Stimmen die Leiter hoch kommen, und jemand meint zu seiner Freundin,
"Wait for me, I wanna quickly enjoy the view over there, it's absolutely beautiful", und kommt durch den Tunnel geklettert. Ich meine zu ihm,
"Hi, yeah, it definitely is!". Er grinst mich an, dreht sich um und ruft zurück,
"Hey Amy, come here, you have to see this."Aber Amy traut sich nicht so recht, und so werde ich nie erfahren, ob ihr der Ausblick auch gefallen hätte.
Viertelstunde später kommt die Wandergruppe in einer langen Prozession unter mir durch.
"Guck, der schöne Mann", höre ich wieder. Manche machen ein Foto und ich winke hinunter.
"Ja, aber wie ist der denn da hoch gekommen?"Als sie weg sind, denke ich mir, ja, das sieht bestimmt völlig unmöglich aus von da unten. So ein Foto hätte ich auch gerne. Leider kann ich niemanden fragen eines zu machen.
Ich sitze da so rum und überlege... Ich kann den
Selbstauslöser auf maximal 1 Minute einstellen. Von da unten muss man den Pfad entlang, einmal um den ganzen Berg rum, auf der anderen Seite in den Spalt hinein, die Leiter hoch, und durch den Tunnel kriechen. Schaffe ich nie im Leben. Allerdings macht das Handy dann 10 Bilder im 10 Sekunden Abstand, das gibt mir 2:40min Zeit.
Hmm... Das heißt die Kamera steht da mehrere Minuten unbewacht herum. Zwar war da unten niemand mehr, seit die Horde da durchgekommen ist, aber doof ist das schon.
Egal, ich gehe mal herunter, und schaue mir das an. Unten finde ich tatsächlich einen Platz hinter einem Felsbrocken, von dem aus man das Handy nicht sieht. Zumindest aus der einen Richtung...
Also fix aufgestellt, und ich flitze los. Ganz gemächlich, ist ja schließlich gefährliches Terrain. Um den Felsen rum, und genau jetzt kommen Leute. Egal, ich klettere die Leiter hoch, durch den Tunnel, und schaffe es in
1min40:
Wie ist der denn da hochgekommen?Die Frage ist dann aber eher, wie kommt er wieder herunter? Denn hinter mir höre ich vom unteren Ende der Leiter beunruhigende Gespräche. Sie:
"Ich schaff das nicht *keuch ächz*". Er:
"Doch probier mal hier die Sprosse". Sie:
"Das ist zu hoch". Er:
"Halt dich hier fest, und jetzt da"....
Nach gefühlt 2min hat er es geschafft, seine Göttergattin ebensoviele Sprossen hinauf zu bugsieren. Wenn das so weitergeht, das kann ja heiter werden. Nervös schaue ich hinunter zu meinem Handy, es steht immer noch, von dieser Seite gut sichtbar, da unten, unerreichbar weit weg für mich. Zwar ist weit und breit niemand zu sehen, aber jede Sekunde kann jemand um die Ecke kommen.
Hinter mir sind sie anscheinend gerade bei Stufe 4. Und es sind inzwischen auch deutlich mehr Leute zu hören. Na toll. Was für eine dämliche Idee aber auch. Bestimmt ist das Foto nicht mal was geworden. Dann kann ich ja mal sehen ob der Diebstahlschutz meines Handys auch funktioniert....
Fünf Minuten später haben die beiden endlich die erste Leiter gemeistert, damit meine Höhe erreicht, und machen sich an die Erklimmung der zweiten, über mir. Ich kann leider immer noch nicht herunter, weil noch mehrere Leute nachkommen. Und jetzt kommt tatsächlich unten auf dem Weg ein Pärchen entlang. Ich winke, und kann sie erfolgreich ablenken. Ha!
Noch ein paar Minuten später wird's mir schliesslich zu bunt, und ich krieche durch den Tunnel rüber zur Leiter, und frage den Typen der da gerade steht, wie lange es noch dauert. Er meint, ich könne jetzt hoch, die Leiter über uns sei gerade frei. Also erkläre ich ihm, Äh, nein, Sorry, aber ich müsste nochmal hinunter, habe unten nämlich aus Versehen was wichtiges vergessen...
Zum Glück steckt nur noch einer in der Leiter fest, und kurz darauf habe ich mein Handy wieder... Uff... Aber der Gesichtsausdruck war Gold wert.
Kurz darauf bin ich am oberen Ende der Stiege. Weiter geht es über
Langes Horn zu dieser "Höllen"-Schleife, wo ich mich gestern verlaufen habe:
Gratwanderung auf dem HöllwegIch möchte zur
Höllenwand, die habe ich gestern nicht gefunden, heute probiere ich den Rundweg mal anders herum. Und kurz darauf weiß ich auch, warum die Höllenwand so heißt wie sie heißt:
Höllenwand! Krass!Nachdem ich mich einigermaßen beruhigt habe, gehe ich weiter. Von irgendwoher höre ich Stimmen erschallen, anscheinend eine Gruppe Mädels, von irgendwoher aus den Felsen. Ob da irgendwelche Verlockungen aus dem Höllental heraufschallen, die mich in die Irre führen, meinen Absturz herbeiführen und meine ewige Verdammnis besiegeln sollen?
Ich überlege, ob ich mich wie Odysseus an einem Baum festbinden sollte, um nicht von den lieblichen Stimmen in den Wahnsinn und in die Tiefe gerissen zu werden...
Gut festhalten!Das führt natürlich auf Dauer zu nix, also beschließe ich, dass es sich doch nur um eine lebhafte Klettergruppe handelt. Ein Stück den Weg weiter verstehe ich dann auch, warum ich die Wand gestern nicht gefunden habe. Man kommt zwischen 2 Felsen aus der Felswand heruntergeklettert und dort quert dann der gestrige Weg, dessen eine Seite in einer Sackgasse endet. Keine Chance das zu sehen, wenn man es nicht kennt.
Die Stimmen verfolgen mich weiterhin, es hallt durch das ganze Gebiet, zwischen den Felsen hier reflektiert der Schall ganz hervorragend hin und her. Was gibt es nur die ganze Zeit zu bequatschen, die erfreuen ja das halbe Elbsandsteingebirge mit ihren Erlebnissen. Halbe Stunde später komme ich an einen Felsturm, auf dem ich den Ursprung der Unterhaltung vermute, auch wenn ich niemanden erblicke. Dafür hat unten davor jemand sein Lager aufgeschlagen, inklusive gespannter Hängematte.
Ich mache auch kurz Pause, und erst als ich weiter gehe, höre ich Rufe hinter mir, und entdecke die beiden oben auf dem Turm in einer Felsspalt sitzen und mir zuwinken...
Wäre das Rätsel also auch gelöst. Weiter gehe ich kreuz und quer, und schaue was es sonst noch so lustige Sachen zu entdecken gibt wie...
... verrückte Felsformationen:
Man wundert sich, dass der nicht umfällt. Von der Seite sieht er unten genauso unmöglich dünn aus. Und nein, der Baum hat keinerlei stabilisierende Funktion.... wilde Tiere:
Fast so gross wie in diesem Hobbit Film...... und einen alten Schuh:
Da hat wohl jemand spontan das Barfußlaufen für sich entdeckt...Nach so einer ganzen Weile quer und kreuz, auf bekannten und neuen Wegen, mache ich mich auf den Rückweg, denn mein Zug fährt ja
um 18 Uhr, und ich muss um den zu erreichen noch
Tram fahren und mit der
Fähre zum Bahnhof übersetzen.
Ausserdem habe ich mir das Schönste für den Schluss aufgehoben, was auch meine Mitreisenden erfreuen wird, nämlich einen Ersatz für die fehlende Hoteldusche. Unten in
Beuthenfall an der Tram gibt es ja schließlich den kleinen Fluss, die
Kirnitzsch, in den ich einfach hineinspringen werde. Warum bin ich da nicht schon eher drauf gekommen?
Voller Vorfreude mache ich mich, die eine oder andere Schleife noch mitnehmend, zügigen Schrittes an den Abstieg. Dabei treffe ich eine junge Frau, die mich auf
"Freikörperkultur im Elbsandsteingebirge" anspricht, und sich köstlich darüber amüsiert, dass ich womöglich gleich unten im Tal nackt mit der Straßenbahn fahren könnte...
Als ich schließlich unten ankomme, bin ich richtig gut aufgeheizt. Mein Gepäck ist noch da, und nichts kann mich jetzt noch davon abhalten, mich in den
eiskalten Bach zu stürzen, selbst nicht die Leute auf der Brücke, die mich sofort für verrückt erklären. Das Wasser ist wirklich verdammt kalt, wenn man da so komplett drinnen liegt, aber sowas von erfrischend toll, einfach herrlich.
Danach raus, abrubbeln, noch viel herrlicher, und fast will ich gleich nochmal hineinspringen, weil es so toll war. Aber es hilft nix, anziehen, und gleich darauf kommt schon die Tram, die mich nach
Bad Schandau zurückschaukelt. Dort bin ich früh genug, so dass ich mir noch einen
Minzeisbecher gönnen kann:
After Eight before 8 o'clock!Unten am Fluss wartet dann auch schon die Fähre zum Bahnhof:
Bis nächstes Jahr, ich freu mich schon...Damit beschließe ich meine Nacktwanderberichte aus der Sächsischen Schweiz für dieses Jahr. Ich hoffe es hat euch gefallen, auch wenn die Texte manchmal etwas lang waren.
Bis denne,
Marc