Shiva205 hat geschrieben:Aus humangenetischer Sicht könnte Inzucht (Endogamie) auf Populationsebene Probleme bereiten, wenn genetische Isolate sehr klein sind (z.B. der "Founder effect" in Kolonien), aber auch hier gibt es Beispiele für gesunde Populationen. Was einzelne Fälle von Inzest betrifft, ist das Risiko tatsächlich geringer als viele "erlaubte" Risiken, so dass das Inzest-Tabu kulturell und nicht "eugenisch" interpretiert werden muss.
Das ist auch meine Meinung: Inzest-Tabu ist kulturell bedingt, wird aber bei uns mit dem "eugenischen" Argument begründet, weil das für die breite Masse verständlicher ist.
Die kulturellen oder zivilisatorischen Gebote und Verbote sind meistens nicht rational begründbar: Es ist, wie es ist. Zu diesen kulturellen oder zivilisatorischen Geboten bzw. Verboten, die rational nicht begründbar sind, gehören auch die Nacktheit und die Sexualität in der Öffentlichkeit. Es wird einfach gesagt, dass sie schädlich für die Allgemeinheit seien, ohne dass man dafür stichhaltige Beweise vorlegen könnte: Es wird lediglich gesagt, dass das Vorhandensein dieser Gebote und Verbote deren Nützlichkeit für die Gesellschaft beweise. Das ist ein Zirkelschluss par excellence.
Das tut aber dem Glauben an der Richtigkeit dieser Gebote und Verbote keinen Abbruch. Selbst in diesem Forum, deren Mitglieder ja davon direkt betroffen sind. Das finde ich zwar absurd, aber auch verständlich. Manche wolle ja geradezu, dass wir Nackten ausgegrenzt werden bzw. bleiben. Als ob sie sich in der Opferrolle gefallen. Oder ob ihnen das so etwas wie das Auserwähltsein bedeutete, so nach dem Motto, da die dummen Unwissenden, hier wir, die klugen.
Shiva205 hat geschrieben:Vielleicht ist es wichtig das alles neu aufzuarbeiten vor dem Hintergrund, dass wir inzwischen ein (weitgehend) allgemein akzeptiertes sexuelles Selbstbestimmungsrecht haben, so dass Nacktheit nicht mehr als Bedrohung aufgefasst werden muss. Damit könnte jetzt auch eine generelle Enttabuisierung des gesamten Inzest-Komplexes stattfinden - aber das geht natürlich nicht von heute auf morgen, weil solche Tabus sehr tief im Unbewussten verankert sind.
Nicht nur im Unbewussten, es gibt auch andere Faktoren, die eine Rolle spielen. Trotzdem ist es zu hoffen, dass sich der Staat aus der Überwachung des Geschehens in den Schlafzimmern bald zurückzieht. Aber obwohl der Deutsche Ethikrat es mehrheitlich empfohlen hat, zumindest den Geschwisterinzest zu entkriminalisieren, wird es dazu nicht kommen – zumindest solange nicht, wie die Parteien mit C im Namen in diesem Land (mit)regieren.
In Frankreich, das ein Inzestverbot unter Erwachsenen seit Napoleon nicht mehr kennt, war das nur möglich, weil durch die Französische Revolution der Einfluss der Kirche zuvor zurückgedrängt wurde. Bei uns dagegen war (und ist?) die katholische Kirche, die übrigens auch heute noch die Heirat zwischen Cousin und Cousine verbietet, offenbar mächtig genug, sich in das Gesetzgebungsverfahren einzumischen, wenn auch sie eine solche Cousin/Cousine-Ehe, die ja staatlicherseits erlaubt ist, nicht verhindern konnte.
Eule hat geschrieben:Woher auch immer, viele Menschen befürchten, dass, wenn sie unbekleidet gesehen werden, andere Menschen "Macht" über sie bekommen würden. Ich interpretiere dieses als eine Form von magischer Kraft, gegen die man sich nur bekleidet schützen kann.
Jetzt sind wir also bei der Magie angekommen – da wird die ganze Hilflosigkeit der Verteidiger der unsinnigen Gebote und Verbote offenbar.
Eule hat geschrieben:Hans H. hat geschrieben:In einem ausführlichen Artikel zur Geschichte des Verhältnisses der Kirche zur Sexualität hatte ich mal gelesen, der Ursprung sei die Verabredung der Mächtigen mit den Kirchenfürsten gewesen, dass man mit solchen Regeln die Soldaten besser an der Front halten konnte.
Das Gebot der sexuellen Abstinenz ist älter, als dass es die Kirche gibt.
Natürlich ist das Gebot älter, dennoch ist der Hans‘ Hinweis auf die Rolle der Kirche richtig: Sie war mächtig und benutzte ihre Macht so wie alle Mächtigen vor ihr.
Eule hat geschrieben:Aria hat geschrieben:Dann erkläre du mir bitte, warum im Inzestparagraphen nur der Vaginalverkehr verboten ist, nicht aber sonstigen sexuellen Aktivitäten.
Nach meinem Wissen ist der Inzest generell untersagt.
Nicht nur hier wird offenbar, dass dein Wissen mangelhaft ist. Dazu bist du auch nicht fähig, sich die entsprechenden Informationen selbst zu besorgen – das hat holgi-w in seinem Beitrag vom
Fr 16. Dez 2016, 12:48 für dich getan. Aber ich fürchte, auch dieser Fakt wird dich nicht von deiner Interpretation des Inzestverbots abbringen.
Eule hat geschrieben:Aria hat geschrieben:Da wäre ich mich nicht so sicher, schließlich sind wir sowohl mit den Schimpansen als auch mit den Bonobos eng verwandt.
Wir sind mit allen Säugetieren verwandt. Und trotzdem gibt es in den verschiedenen Stämmen der Säugetiere unterschiedliche Sozialverhalten.
Während ich von
eng verwandt spreche, weitest du die Verwandtschaft des Menschen auf
alle Säugetiere ab, was zwar nicht falsch ist, aber in diesem Zusammenhang nur der Ablenkung dient.
Eule hat geschrieben:Aria hat geschrieben:Sobald sich ein Männchen aufplustert und streiten will, wird mit dem Angebot eines Weibchen, Sex mit ihm zu machen, besänftigt.
Das geht hier nicht um ein Individualverhalten, es geht um ein Gruppenverhalten.
Auch hier versuchst du abzulenken – warum?
Eule hat geschrieben:Aria hat geschrieben:Jedenfalls gibt es Anzeichen, dass es bei Menschen in grauer Vergangenheit ein Matriarchat gegeben hatte. Und da Frauen von Konstitution her schwächer sind als Männer, mussten sie logischerweise andere Strategien anwenden, um herrschen zu können.
Ein wirklich schlüssig erscheinendes Argument. Aber dieses dürfte nicht zutreffen. Es gibt heute noch Matriarchate, wenn auch sehr vereinzelt und manchmal auch nur versteckt feststellbar. In meinen beiden Büchern habe ich auf einen anderen Grund hingewiesen, der mir schlüssiger erscheint und den plötzlichen Wechsel vom Matriarchat zum Patriachat besser abbildet.
Statt diesen „anderen Grund“ zu nennen, betreibst du hier Werbung für dein Buch – warum?
Eule hat geschrieben:Riedfritz hat geschrieben:Die Gleichberechtigung der Frau stand von Anfang an auch im Grundgesetz, aber Papier ist geduldig!
Hier irrst du.
Nein, Riedfritz sieht das ganz richtig, denn auch das Bundesverfassungsgericht hat fast 2 Jahrzehnte lang die geltenden und Frauen diskriminierenden Gesetze für verfassungskonform gehalten. Dem entsprechend hat auch das Parlament keine Veranlassung gesehen, diese abzuschaffen bzw. neuere, der Verfassung konforme zu erlassen. Hier sieht man, dass wir alle, also auch die höchsten Richter, die Gefangenen der Zeit sind, in der wir leben.