Wie leicht zu vermuten war ist die steinzeitliche Keule das Schild auf dem vorhergehenden Bild 16. Das gleichartige, das auf der traditionellen FKK-Wiese unterhalb des Häuschens steht, sei jetzt aus der Nähe gezeigt. Die Gemeinde hat es sich etwas kosten lassen, so ein edles Schild anfertigen zu lassen, nicht einfach nur mit Text, sondern auch mit einer präzisen Karte für den Geltungsbereich, und das alles korrosionsfest, damit dieses Denkmal des Antipluralismus auch von späteren Generationen noch bewundert werden kann. Falls die Polizeiverordnung irgendwann ersatzlos auslaufen sollte, dann sollte die Gemeinde das Schild als Dokument der Intoleranz, die sich am Anfang des 3. Jahrtausends breitgemacht hat, einem Museum spenden, falls es dann noch irgendwo ein nicht abgebranntes gibt.
Für den Fall, daß meine Bilder hier mal verschwinden, sei die zentrale Botschaft des Schildes zitiert:
Polizeiverordnung Winterbach, 20060811, hat geschrieben: § 2 (1) In den Bereichen nach § 1 sind folgende Handlungen untersagt:
1. sich ohne ausreichende Kleidung, mindestens übliche Badekleidung aufzuhalten (Nacktsonnenbaden), d.h. bei weiblichen Personen muss
mindestens die Brust sowie der Schambereich durch einen Bikini, bei männlichen Personen muss mindestens der Schambereich durch eine
Badehose bedeckt sein, ...
http://www.winterbach.de/Polizeiverordn ... enbach.pdf "Puistola"s ungläubige Formulierung "Und das soll dort angeblich gelten" läßt noch einen Hoffnungsfunken, daß das nur ein schlechter Traum ist, vielleicht eine von Gymnophoben gefälschte Webseite, es ist aber bittere Realität wie die nächsten beiden Bilder zeigen:
Bild 17 Winterbach am Stausee
Und nun der oben zitierte Teil ganz leicht lesbar in groß:
Bild 18 Winterbach am Stausee
Sogar bei Google Earth, Variante "3/27/2012", ist das auf der Wiese stehende Schild an seinem Schatten zu sehen bei
N48.79059, E09.48026
Diese Polizeiverordnung hat in dem Gebiet die Zahl der Erholungssuchenden, denen die Gemeinde mit dem Schild einen trotz Bußgeldandrohung "angenehmen und erholsamen Aufenthalt" wünscht, wie beabsichtigt kräftig reduziert, die weiter oben erwähnte Zahl von früher ca. 40 Nackten auf der Wiese ist Geschichte.
Wer nun meint, die abschreckenden Schilder würden der Gemeinde reichen, verkennt das Konzept der Abschreckung: Sie ist nur glaubwürdig, wenn mit der Keule nicht nur gedroht, sondern auch draufgeschlagen wird. Dazu ist es bereits mehrfach gekommen, nicht nur Bußgelder wurden verhängt, es kam auch zu gerichtlichen Verurteilungen. Ich wußte leider von den Gerichtsterminen nichts, sonst hätte ich mir das angehört.
Kaum erträglich finde ich diesen juristischen Formalismus, daß es zu Verurteilungen kommt, weil jemand zwar gegen eine Polizeiverordnung verstoßen hat, aber ein Richter nicht dafür zuständig ist oder sich nicht für zuständig fühlt, das Fundament der Polizeiverordnung sich anzusehen. Im Polizeigesetz steht klar drin, daß Auflagen, wie hier das Nacktverbot, nur zulässig sind, wenn die "Öffentliche Ordnung" oder Sicherheit gefährdet ist.
Nicht verstehen kann ich, daß angeblich hier der Anblick von Nackten die "Öffentliche Ordnung" stört, während ganz in der Nähe, und zwar am Plüderhausener Badesee, dies nicht der Fall ist und somit kein Verbot erfolgt. Die von mir mit GPS-Gerät gemessenen Koordinaten der nur 10km auseinanderliegenden Nacktwiesen sind:
N48.79062, E09.48032 Winterbacher Wiese
N48.78646, E09.61883 Plüderhausener Wiese
Das derzeitige Satellitenbild des Plüderhausener Badesees, diesmal eine Frühjahrsaufnahme mit noch unbelaubten Bäumen, zeigt den Andrang auf dieser inoffiziellen FKK-Wiese, der zu dem Zeitpunkt größer ist als im westlichen Textilbereich, im Sommer ist das Zahlenverhältnis umgekehrt. Man erkennt den Trampelpfad über den gemähten Rasen, verursacht von den vielen Textilen, die durch den Nacktbereich gehen, und kein Steinzeitler schwingt dort die Totschlagskeule der gestörten "Öffentlichen Ordnung". An der NE-Ecke der Wiese steht das auf dem folgenden Bild gezeigte Schild mit der dortigen Badeordnung, nichts ist über Nacktheit erwähnt:

Bild 19 Plüderhausen am Badesee
Der schwarze Balken ist übrigens ein mir nicht erklärliches Artefakt bei der etwas nach oben gerichteten Blitzlichtaufnahme, ein in der Abenddämmerung verwackeltes Bild ohne Blitz zeigt da wie für das Auge nur einen leicht unterschiedlichen Grünton vom Übermalen eines Textteils, vermutlich sind die Reflexionseigenschaften eingeregelter Farbpartikel unterschiedlich. Ein unbefugtes Übermalen dieses Textteils, in dem ein Nacktverbot hätte stehen können, ist auszuschließen innerhalb des Themas des Feuermachens. - Auch die Webseite erwähnt nichts über Nacktheit am See, sie ist da halt, nicht offiziell und auch nicht verboten, Verhältnisse wie an dänischen und spanischen Gewässern, wo auf Vernunft und gegenseitige Toleranz zwischen Nackten und Textilen gesetzt wird.
http://www.badesee-pluederhausen.de/Schon 2010 habe ich mir in einer Bibliothek die dicken und deshalb nicht kopierfähigen Zeitungsbände der "Schorndorfer Nachrichten" ausgeliehen, die interessierenden Artikel im Lesesaal photographiert und dann vom Bildschirm abgeschrieben. Zum Dokumentieren daraus einige Ausschnitte die mir erwähnenswert erscheinen, Namen sind von mir abgekürzt:
Schorndorfer Nachrichten, 20050728, hat geschrieben: Die Nackten sind für viele ein Ärgernis
Winterbacher Gemeinderat will die Nudisten von den Wegen um den Lehenbachstausee fern halten
... Indes sorgt die Badekultur dort für reichlich Unmut. Nackte tummeln sich auf den Wiesen rund um den See und wurden in letzter Zeit auch auf den dortigen Wegen und der Dammkrone gesichtet. Viele der Winterbacher machen seither einen weiten Bogen um den Lehenbach-Stausee. ... Bürgermeister A.U. empfahl den Räten, von einer Verschärfung der Polizeiverordnung Abstand zu nehmen. Stattdessen sollten Bürger bei eindeutiger Sittenwidrigkeit die Polizei rufen ... R.R. etwa hat vor kurzem ein Polizeifahrzeug beobachtet, das auf der Dammkrone entlang fuhr und dessen Beamte nicht gegen einige Nudisten einschritten, die sich am Fuße des Dammes sonnten. "Das ist abgestimmtes Verhalten, weil das keine Ordnungswidrigkeit aufgrund Paragraph 118 [OWiG] ist", erklärte ihm U.. Verwarnt werden kann demnach nur, wer sich nackt auf den Wegen zeigt, nicht aber, wer sich unbekleidet auf der Wiese tummelt. ...
[Gleich anschließender Zusatzartikel:]
A. hat sich erkundigt
... Ob sich ein Verbot über die Änderung der Polizeiverordnung durchsetzen lasse, ist für A.U. rechtlich strittig. Das ziele auf die Frage, ob die Nacktbader eine "Gefährdung der öffentlichen Ordnung" darstellen, und dazu gebe es bei den Juristen keine eindeutige Meinung. ... zum anderen sei unsicher, ob die Gerichte dies im Streitfall auch bestätigten.
Abschrift von Papierfassung
Schorndorfer Nachrichten, 20060519, hat geschrieben: Jetzt geht's den Nackten streng zu Leibe
Polizeiverordnung verbietet generell das unbekleidete Auftreten und Aufhalten im Naherholungsgebiet Lehenbach
... Es geht um Nacktsonnenbader, die öffentliche Wege und Privatgrundstücke okkupieren und den Winterbachern das Naherholungsgebiet rund um den Lehenbach-Stausee verleiden. Ihnen wird nun mit einer strikten Polizeiverordnung auf den nackten Leib gerückt. ... Ohnehin aber sind die Winterbacher der Meinung, daß sie dem Treiben am Stausee viel zu lang viel zu nachgiebig zugeschaut haben. "Der Zustrom und der Zuspruch nimmt ständig zu mit der Folge, daß das Naherholungsgebiet zusehends entwertet wird", begründete Bürgermeister U. im Gemeinderat die Entscheidung ... "Es wird etwas getan für die schweigende Mehrheit", stellte BWV-Gemeinderat W.H. fest ... Daß die bisherige Haltung im Umgang mit den Nackten aufgegeben wird, findet er gut im Interesse der Menschen, "die noch ein Gespür für normales Verhalten haben". ...
Abschrift von Papierfassung
Schorndorfer Nachrichten, 20060819, hat geschrieben: Die letzten Hüllen dürfen nicht mehr fallen
Busenfrei, mit Bußgeld dabei: Seit 1. August [richtig: 11.] regelt Polizeiverordnung das FKK-Verbot am Winterbacher Stausee
Mit der Montage von Schildern hat die Gemeinde Winterbach jetzt ihren bereits im Mai gefassten Willen dokumentiert, die FKK-Szene am Stausee aufzulösen. ... Adamskostüm kostet 50 Euro. Im Wiederholungsfall wird's noch teurer. ... eine Polizeiverordnung, die dem jahrzehntelang geduldeten FKK-Kult am Winterbacher Stausee ein Ende setzt. Was vor rund 20 Jahren, als die Wogen um die Nackten wochenlang und medienwirksam hochschlugen, im demonstrativen Besuch zweier Unbekleideter im damaligen Coop-Markt in Winterbach gipfelte, empfanden vornehmlich Spaziergänger und Stücklesbesitzer zuletzt als ähnlichen Affront: Immer öfter, so die im Rathaus eingegangenen Klagen, sähen sich Spaziergänger teils weitab vom Stausee auf Waldwegen unvermittelt mit Splitternackten konfrontiert. Und immer öfter, so das Rathaus, sähen sich Besitzer Schatten und Sichtschutz bietender Baumgrundstücke am Stausee von militanten Hüllenlosen teils unter Drohungen und Beschimpfungen daran gehindert, das eigene Baumwiesle zu betreten oder gar zu bearbeiten. ... J.N., einer der für Winterbach zuständigen Polizeibeamten, hat beobachtet, daß - wetterunabhängig - der Andrang auf der früher eher von Familien, neuerdings stärker von Männern bevölkerten FKK-Wiese nachgelassen habe. Das liege mit daran, daß der Staudamm abgeholzt wurde und damit Sichtschutz wegfiel.
Abschrift von Papierfassung
Wie auf Bild 17 zu lesen ist, kann ein Bußgeld verhängt werden. Solange man sich dort so benimmt wie am Plüderhausener Badesee gefährdet man nicht die "Öffentliche Ordnung" und damit dürfte Verhängen eines Bußgeldes mangels Anwendbarkeit der Polizeiverordnung in diesem Fall unzulässig sein. Das ist meine Sichtweise, die aber riskant ist, da Juristenhirne bekanntlich gelegentlich auch für Juristen nicht nachvollziehbar ticken. Es könnte aber auch sein, daß man als Unschuldiger im Rahmen des Sippenhaftprinzips stellvertretend für etwaige zu vergraulende Mitglieder der Ferkelfraktion präventiv bestraft wird, aber diese Fraktion gibt es nach meinem Eindruck dort nicht, zumindest nicht in den letzten Jahren. Falls welche von denen auftauchen sollten würde ihnen ihre Unerwünschtheit wohl klar gemacht werden von den letzten verbliebenen Erholungssuchenden. Die sind sicher daran interessiert, daß der anscheinend dort inzwischen ausgebrochene Frieden von Dauer ist und nicht von Danebenbenehmern gefährdet wird. Das ist jetzt dort wohl so etwas wie mit Blattläusen im Garten, wenn es nur ein paar sind, regt man sich nicht drüber auf. Vielleicht ist die Gemeinde inzwischen etwas nachdenklicher geworden beim Thema Pluralismus und Toleranz, nachdem antipluralistische Kreise glücklicherweise nur eine Gartenhütte in der Umgebung des Sees abfackelten und die fünf, die dort vorher Zuflucht vor ihnen gesucht hatten, noch gerade rechtzeitig aus der bereits brennenden Hütte entkamen.
Damit komme ich zum Kulturellen, dem zweiten "K" in "FKK". Kürzlich ist mir mal wieder der Kragen geplatzt über einen Fall von Grabenbuddeln zwischen Vereinsnackten und Vereinslosen, die als Kriminelle hingestellt wurden, denen nach Steinzeitlerart die juristische Keule übergebraten werden soll, so wie nach meinem Gefühl auch das aufschimmernde "gesunde Volksempfinden" in Winterbach sich in den Schildern konkretisiert hat. Für mich ist das zweite "K" das Eintreten für Pluralismus, nicht das Ausgrenzen, das schon soviel Sympathieporzellan zerschlagen hat. Die Vereinsleute sollen meiner Meinung nach entspannt hinter ihren Hecken glücklich sein, aber nicht den Einsatz juristischer Keulen fordern gegen diejenigen, die außerhalb von Hecken und Zäunen auch nur glücklich sein wollen mit "einfacher Nacktheit". Eine Haltung des "Leben und Lebenlassen" ist für mich das zweite "K", siehe mein Beitrag:
viewtopic.php?f=9&t=2264&start=10Bei BN, British Naturism, würde bei einer ähnlichen Situation wie beim Winterbacher Stausee wohl Interesse bestehen, auch Nichtmitgliedern im juristischen Ernstfall mit rechtlicher Unterstützung beizustehen, schön fände ich, wenn ich das auch vom DFK annehmen könnte. Für mich jedenfalls ist dort am Stausee eine Art gedankliches Schachbrett, und die, die nur schnell mal ein Bilderrätsel gelöst sehen wollen, mögen mir verzeihen, daß ich mich mit diesem längeren Thema der derzeitigen Mode des Bleistifthochhaltens angeschlossen habe. Nieder mit dem Antipluralismus.