Die heutige Toleranz oder Intoleranz der Nacktheit und der Sexualität gegenüber ist nur zu verstehen, wenn man versucht zurückzuschauen bzw. zu ergründen, wie es in der Vergangenheit einmal war. Aber Eule will nicht zurückschauen, und wenn doch, dann hat er gleich Entschudigungen parat. Dabei geht es gar nicht um Schuld, sondern um Feststellungen, die uns Historiker, Archäologen und Etnologen lieferten und liefern.
Ich habe auf einen Statement geantwortet, der hier sehr oft zu lesen war und ist: Selbst wild lebende Völker bekleiden sich in irgendeiner Weise und üben Sex nur in der Privatheit. Ich habe ein Gegenbeweis gebracht und nun wird das wieder in Abrede gestellt mit dem Hinweis auf ein ganz anderes Volk – „Nicht einmal die Yanomanis praktizieren öffentlichen Sex.“ –, als ob ich das je bestritten hätte.
Und ich bestreite auch nicht, dass Bekleidung und Sex in der Privatheit ihren Sinn hatten und haben, sonst wären sie nicht auf der ganzen Welt zum Usus geworden, aber ich bestreite das Recht der mehr oder minder Angezogenen und der mehr oder minder Sex-in-der-Privatheit-praktizierenden, diese ihre Art zu leben auch anderen zu oktroyieren mit der Begründung: Das gehöre sich einfach nicht.
Das ist keine Begründung, denn es gab auch andere Arten zu leben, die nicht minder gut waren als unsere. Deshalb gilt nach wie vor das Wort Tucholskys –
Zitat:
Seht, die Wilden sind doch bessere Menschen ... ? Das nicht. Aber sehr rein und unverdorben sind sie;So praktizierten auch sie Sex in der Regel in Privatheit, aber sie hatten nichts dagegen, wenn jemand sie dabei sah. Schon aufgrund der Wohnsituation – die ganze Familie schlief in einem Raum ohne Sichtschutz – war gar nicht anders möglich, als dass Kinder es mitbekamen, was Erwachsene so trieben. Und weil Kinder alles nachzumachen versuchen, was Erwachsene tun, haben sie Geschlechtsverkehr nachgeahmt in einem Alter, in dem sie dazu gar nicht in der Lage waren. Aber als sie in die Pubertät kamen, wurde Ernst daraus mit dem Ergebnis, dass es auf dieser Insel keine Jungfrauen gab: Alle wurden schon im Kindesalter von Gleich- oder Ähnlichaltrigen defloriert.
Die Erwachsenen betrachteten das alles als Kinderspiele und förderten sie mit dem Bau von sogenannten Jugendhäusern, in denen die Jugend des Dorfes tun und lassen konnte, was sie wollte. Und dennoch gab es Liebe, wie wir sie kennen, die zu Heirat führte. Sie leben als Paare zusammen, wobei formal der Mann alles bestimmt, aber eigentlich herrst dort Matriarchat, denn es zählen nur Mutterkinder, Väter waren und sind austauschbar. Das gab und gibt es z.B. auch auf den Kapverdischen Inseln. In der Forschung überwiegt die Ansicht, dass die Monogamie erst mit dem Patriarchat entstand, als die Väter sichergehen wollten, nur die eigenen Kinder zu ernähren.
Dass auf diesen Melaneischen und Polynesischen Inseln sich die Frage der Ernährung nicht stellte – es gab genug davon – gab es auch keinen Grund für das Patriarchat. Das waren paradesische Zustände, bis eben die Europäer kamen.