@ Hans H.
Diese Sicht kann meiner Meinung nach auch dadurch entstehen, dass man das eigene Empfinden in dem Moment, wenn man als einer, der in unserer bekleideten Kultur aufgewachsen ist, erstmalig einen FKK-Bereich betritt, auf alle Menschen projiziert und verallgemeinert und dabei davon ausgeht, dass dieses Empfinden jeder haben müsse, auch wenn er in einer nackten Gesellschaft ausgewachsen ist.
Dieser deiner Aussage kann ich voll zustimmen. Nur beginnt deine Betrachtung mit der Situation der Personen unserer jetzigen Zeit. Ich hingegen habe auf eine Betrachtung der Problematik aus der historischen Sicht hingewiesen, die eine unterschiedliche Betrachtungsweise dieser Problematik eröffnet.
Dieses Projizieren auf nicht vergleichbare Grund-Situationen ist eines der großen Probleme dieser Diskussion, denn viele können sich nicht davon lösen, dass zunächst einmal unser Empfinden in vielen Situationen nicht das angeborene sondern das durch die Kultur und Erziehung geprägte Empfinden ist.
Alles was mit einer moralischen Beurteilung versehen ist, ist stets das Produkt, das Ergebnis, eines Lern- und Erziehungsprozesses. Es gibt hier kein "angeborenes" Verhalten und Empfinden, sondern grundsätzlich und ausschließlich nur ein erlerntes und anerzogenes.
@ Aria
Eule hat geschrieben:
Shiva205 hat geschrieben:
Nacktheit und Sexualität sind kulturgeschichtlich indirekt miteinander verbunden, dadurch, dass die Kulturen Bekleidungsregeln eingeführt haben um sexuelle Aktivitäten zu unterbinden. Sobald diese Regeln ausser Kraft gesetzt werden und man nackt herumlaufen darf, können die natürlichen Auslöser der Sexualität - Anblick eines gegengeschlechtlichen Menschen, an dem man sich erfreut - erst mal wieder wirken.
Diese deine Aussage unterstellt bei den sog. "Nacktläufern" (Völker, die ohne Kleidung leben) einen höheren Grad an sexueller Empfindung, als bei den bekleideten Völkern. Mir ist eine derartige Beobachtung, die zu einer solchen Aussage führen könnte, nicht bekannt.
Natürlich nicht, denn die Aussage Shiva205s impliziert eben nicht, dass die Naturvölker sexuell aktiver sind – das ist allein auf deinem Mist gewachsen.
Ich denke, dass du jetzt meine Aussage missverstanden hast. Es ging bei der vorliegenden Fragestellung nicht um ein spezielles Ereignis, sondern um eine grundsätzliche Feststellung.
Zum x-ten Male: Jemand der mit Kleidung sozialisiert worden ist und sich ggf. nur zum Sex auszieht, für den hat die Nacktheit eine andere (erotische) Komponente als für jemand, der den ganzen Tag nackt herumläuft.
Dieser zieht sich auch zum Duschen/Baden aus, beim Umkleiden, etc. Die Nacktheit ist bei einem nicht FKK'ler daher nicht grundsätzlich mit sexuellen Interessen verbunden.
Wird jemand in unserer Kultur zum FKK-ler, für den verliert sich mit der Zeit der (sexuelle) Reiz der Nacktheit natürlich.
Ich halte diese Aussage einfach für falsch. Diese Aussage kann nur dann so vertreten werden, wenn vorher ein religiös bedingtes falsches und beengtes Bild der Nacktheit und der Sexdualität vorhanden war. Dass es diese verengten und falsche Bilder gegeben hat und auch heute noch gibt, ist mir durchaus bekannt. Aber dieses verengte und religiös falsch gelehrte Bild ist nicht das Regelbild, selbst nicht in der oftmals zu Recht gescholtenenen kath. Kirche. Ich fordere Dich hier doch nur wiederholt auf, anzunehmen, dass das Bild, welches man dir in deiner Kindheit und Jugend vermittelte, nicht das einzig richtige Bild einer religiösen Erziehung innerhalb der kath. Kirche war und ist. Ich war bis in die Hochschule hinein und dadurch in kath. kirchlichen Bildungseinrichtungen und mir wurde ein völlig anderes religiöses Bild von der Nacktheit und der Sexualität vermittelt, als es dir vermittelt wurde. Im Unterschied zu dir scheine ich aber alle oder zumindest die meisten Erziehungs- und Bildungsvermittlungen zu kennen, die innerhalb der kath. Kirche vorhanden waren und sind. Befreie dich doch bitte von der Vorstellung, dass die moralische Enge, die dir vermittelt wurde und gegen die du dich zu Recht wehrst, allgemeine Gültigkeit hat bzw. hatte. Erst wenn du dich aus dem Gefängnis dieser Enge befreist, wirst du in der Lage sein, meine Argumente richtig zu verstehen. Dann wirst du dich auch nicht mehr von mir angegriffen oder missverstanden fühlen. So sehr ich deine klare Linie bewundere, sie wird aber leider immer noch getragen von der erlebten und anerzogenen Enge, auch wenn du glaubst, dich daraus schon befreit zu haben. Solange du keinen Abstand zu dieser Enge findest, solange du dich gegen diese Enge wehrst und sie bekämpfst, solange bist und bleibst du in ihr gefangen. Und ich wünsche dir und hoffe darum, dass dir die eigene Befreiung gelingt.
Eule hat geschrieben:
Shiva205, du musst dich mal davon lösen, dass die moralischen Vorstellungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts die generell gültigen Moralvorstellungen der Geschichte darstellten. Wenn auch viele religiös konservativ denkende Menschen dieses so sehen, so entspricht dieses jedoch nicht der geschichtlichen Wahrheit.
Natürlich bestimmen die moralischen Vorstellungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts nach wie vor unser denken, sonst würde es nicht so viele Vorbehalten gegenüber der FKK geben: ...
Ich kann dir hier nur insoweit zustimmen, solange man sich nur mit den moralischen Vorstellungen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts beschäftigt. Jeder, der sich jedoch mit der moralischen Entwicklung in der Geschichte beschäftigt, wird erkennen, dass es zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Auffassungen gegeben hat. Nicht jede dieser historischen Auffassungen muss unsere Zustimmung finden, zumindest bei mir finden diese nicht unbedingt meine Zustimmung, aber der Blick auf die moralische Normbildung wird dadurch erweitert. Und mit diesem erweiterten Blick wird man in die Lage versetzt, ggf. eine neue und andere moralische Normbildung zu befürworten und zu unterstützen. Hier wird nicht der Revolution das Wort geredet, sondern der Evolution.