Eule hat geschrieben:Die Aussage deiner Nachbarin entspricht einem wörtlich-eingeschränkten Verständnis des biblischen Begriffes der Nacktheit. Mit der Aussage: "Da gingen beiden die Augen auf und sie erkannten, dass sie nackt waren." (Gen. 3,7) wird gesagt, dass den Menschen sich eine neue Erkenntniswelt öffnete. Mit dem Ausdruck, "sie erkannten, dass sie nackt waren." ist jetzt nicht gemeint, dass die Menschen erkannten keine Kleidung zu tragen und deshalb nackt waren. Nein, es ist damit gesagt, dass der Mensch erkannte, schutzlos zu sein.
"Sie hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich einen Schurz." (Gen. 3,7) wird von vielen Menschen so verstanden, dass die Menschen sich ihre "Scham" bedeckten und sich wegen der vorher unverhüllten "Scham" schämen müssten. Als "Scham" wird der Teil des Körpers bezeichnet, welcher sich unterhalb des vorderen Beckenknochens, des Schambeins, befindet und rechts und links von den Beinen abgegrenzt wird.
Dass dieses eine Fehlinterpretation ist, obgleich einem dieses wohl auch heute noch so im Religionsunterricht erklärt wird, kann daraus abgeleitet werden, wenn wir uns den entscheidenden Satz zwei Verse früher in der Biberl ansehen. Dieser lautet: "Gott weiß vielmehr: Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse." (Gen. 3,5). Die Nacktheit ist also hier der Gewinn der Erkenntnis, was Gut und was Böse ist, also nicht das Fehlen einer Kleidung, die etwas verdeckt.
Eule hat geschrieben:Ich sagte schon, der "Schurz" steht für Schutz. Dieser "Schurz" hat nicht die Aufgabe, die darunter liegende Körperregion zu verdecken. Nein, es ist die Aufgabe des Schurzes, den Körper vor Außeneinwirkungen (z. B. Dornen) zu schützen. Der Erkenntnisgewinn liegt darin begründet, dass es dem Menschen möglich wurde, sich Lebensräume zu erschließen, die er vorher sich hat nicht erschließen können. Gleichzeitig sah der Mensch sich aber jetzt Gefahren ausgesetzt, die ihm vorher unbekannt waren.
Eigentlich wollte ich hier nichts mehr schreiben, aber diese hier zitierten Verrenkungen in Sachen Nacktheit und Scham veranlasst mich doch, etwas dazu zu sagen – hierzu die wichtigsten Stellen der Bibel in chronologischen Folge:
1. Mose 2,25: Und sie waren beide nackt, der Mensch und seine Frau, und schämten sich nicht.
1. Mose 3,7: Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze.
1. Mose 3,10: Und er (Adam) sprach: Ich hörte dich im Garten und fürchtete mich; denn ich bin nackt, darum versteckte ich mich.
1. Mose 3,21: Und Gott der HERR machte Adam und seiner Frau Röcke von Fellen und zog sie ihnen an.Abgesehen davon, dass die heutigen Tierschützer gegen diese letzte Handlung Gottes Sturm laufen müssten, beweist die obige Abfolge eindeutig, dass es an dieser Stelle in der Bibel um die Nacktheit und der damit verbundenen Scham geht. Alles andere – etwa, dass die Felle als Schutz vor Dornen oder Kälte gedacht gewesen seien – korrespondiert nicht mit dem zuvor Ausgesprochenen: „Sie waren beide nackt, der Mensch und seine Frau, und schämten sich nicht.“
Eule hat geschrieben:Wir wollen und werden uns jetzt hier nicht über das Thema der Relegion streiten, denn das ist nicht Thema dieses Threads. Wir werden uns jetzt mit diesem Text aus einer kulturhistorischen Sicht heraus beschäftigen.
Ich verstehe deinen Wunsch, Unangenehmes hier nicht diskutieren zu wollen, aber die kulturhistorische Sicht würde ohne der Sicht auf unserer Vergangenheit als christlich geprägtes Abendland ein Torso bleiben – siehe dazu auch meinen heutigen Beitrag in
diesem Thread.
Ich sehr gerade, in dem besagten Thread hat auch hajo Wichtiges geschrieben.