Seide mir bitte nicht böse. Ich wurde eben abgerufen und kann nun erst meinen Beitrag weiter schreiben.
Zu den Anfängen der FKK-Bewegung ist zu sagen, dass diese zeitlich zusammen mit der sog. Jugendbewegung (Wandervögel, etc.) auftrat, oft sogar beide Bewegungen zu sammen. Das Bindeglied zwischen der Jugend- und der FKK-Bewegung waren die Reformkleider. Später trennten sich diese beiden Bewegungen, so dass das Nacktbaden bei den Wandervögeln keine Rolle mehr spielte. Als eine Sonderart der FKK-Bewegung sehe ich die Bewegung von Herrn Adolf Koch. Da stand weniger das Naturerlebnis im Fordergrund, sondern die Gesundheit und die Erziehung zu einer selbstbewussten Persönlichkeit. Diese selbstbewusste Persönlichkeit sollte sich in seiner Reinform, also ohne Verkleidung und damit nackt, entwickeln und entfalten.
Obgleich in der heutigen Zeit der psychosoziale Ansatz, eben die Entwicklung zu einer selbstbewussten und selbstbestimmten Persönlichkeit, wieder sehr wichtig und richtig wäre, bietet sich der Nudismus hierfür scheinbar nicht mehr an. Warum?
@ Hajo
Zur Frage deiner Kurzfassung der Sexualität vertrete ich nicht die Meinung, dass diese falsch sei. Nein, sie beschreibt einen Teil der Sexualität und gleichzeitig eine gemeinsame Schnittfläche mit der Nacktheit. Vielleicht sagt dir der Begriff der Schnittmenge nichts. Ich will dieses erleutern. Wenn du zwei Lampen nebeneinander auf eine Platte ausrichtest, dann wirst du eine Fläche sehen, wo beide Lampen ihren Lichtkegel hinwerfen. Gleichzeitig wirst du aber Flächen sehen, wo nur eine der beiden Lampen sein Licht hinwirft. So ist das hier bei uns mit der "Lampe" Nacktheit und der "Lampe" Sexualität. Deine Kurzfassung beschreibt die Fläche unseres Themas, wo beide Lampen gleichzeitig ihre Licht hinwerfen. Dieses ist dann die gemeinsame Schnittfläche.
Ja, ich habe gesehen, dass du die Sexualität im Blickwinkel der Fortpflanzung gesehen hast. Dieses ist richtig, beschreibt jedoch den Begriff und Umfang der Sexualität nicht umfassend. Zur Sexualität, insbesondere bei den höheren Lebewesen, gehört oft noch mehr. Nur darauf wollte ich hinweisen.
Von Nacktheit oder dem Adjektiv "nackt" sprechen wir, wenn bei einem Lebewesen bestimmte Stellen der äußeren Haut nicht oder kaum bedeckt sind.
Ja, so ist die allgemeine Auffassung, zumindest wenn der Mensch gemeint ist. Aber der Mensch ist nur deswegen nackt, weil dieser sein Fell bis auf einen kleinen Rest verloren hat. Kulturgeschichtlich haben wir den Begriff "nackt" in der Richtung verändert, dass wir einen Menschen dann nackt nennen, wenn sein künstliches "Fell", eben seine Kleidung, nicht den ganzen Körper bzw. bestimmte Bereiche des Körpers nicht bedeckt. Diese Feststellung, die Bekleidung ist ein künstliches Fell, halte ich für wichtig, weil wir uns nur so ggf. vorhandenen Urängsten nähern können. Tja, ich kann in Bezug auf diese Urängste falsch liegen, habe aber in diese Richtung einen recht großen Verdacht.
Bei uns Menschen ist die Außenhaut - bei fast allen Frauen, bei vielen Männern - bis auf den Schädel oder die Bartregion nackt. Also kaum sichtbar behaart.
Ja, aber die Achsel- und die Schamhaare gehören dazu, wenngleich diese auch erheblich länger sind und dabei eine wichtige Rolle spielen.
Denn trotz aller Programmierung, die wir entweder als ROM ererbt haben oder die implementiert wurde, haben wir die Chance, als ICH daran ein wenig zu verändern...
Dieser dein Satz ist für mich wenig verständlich. Was ist ROM? Sollte es statt" als ROM" "aus ROM" heißen, dann wäre diese deine Aussage nicht richtig. Die Erziehung zur Kleidung gab es erheblich früher, also weit vor der kath. und/oder christlichen Kirche. Auch gibt und gab es die Erziehung zur Kleidung in Bereichen, in denen die christlichen Kirchen bis zum heutigen Tage keinen Einfluss haben. Die Kleidung gehört zu unserer kulturellen Sozialisation. Und zwar zu der, der gesamten Menschheit.
Hajo, es ist mir gleich, wer diesen Begriff "Gnade der späten Geburt" zuerst nutzte. Ich habe diesen Begriff immer als ein Versuch erlebt, sich aus einer geschichtlichen Verantwortung heraus zu lösen.
@ Aria
Ich dagegen halte diese Frage für geklärt: Der Zeitgeist hat sich geändert.
Hier macht sich der Unterschied unserer Betrachtung, nein, genauer unserer Bewertung, der Situation deutlich, wie wir dieses ja in dem von dir gestartetem Thread "Dokumente des gesellschaftlichen Wandels" häufig besprochen haben. Dass die Jugend grundsätzlich gegen ihre Eltern rebelliert und sich also entgegengesetzt zu deren Grundhaltung verhält, war schon seit Anbeginn der Zeit so. Selbst Sokrates hat sich schon darüber beschwert und beklagt. Was du als eine Schutzbehauptung wertest, nämlich:
Und weil sie nicht als prüde erscheinen wollen, sagen sie, dem sei wegen der Fotos und des Internets so.
halte ich für ein durchaus ernst zu nehmendes Argument. Hier geht es weniger um das nicht prüde-Sein, sondern um den Verlust von einer scheinbaren "Selbstbestimmung über ihren Körper". Ich wundere mich, dass diese Fragestellung bei dir so keine Rolle spielt. Denn nach deiner engen dörflich/katholischen Erziehung müsstest du doch in diese Richtung gedrängt worden sein. Es mag sein, dass der Moralbegriff bei dieser deiner Erziehung eine größere Rolle spielte, als die Selbstbestimmung über den eigenen Körper. Für mich sind diese beiden Begriffe in der Tat zwei Bezeichnungen für ein und die selbe Sache. Du kannst diese beiden Begriffe also beliebig miteinander austauschen. Dass diese Erziehungshaltung falsch und schädlich ist, darüber brauchen wir uns nicht zu streiten. Ich denke, da sind wir uns einer Meinung.
Und wenn einmal innerhalb einer jungen Generation Übereinstimmung über eine Sache – in diesem Fall: der Nacktheit – erzielt worden ist, gibt es niemanden mehr, der das aufhalten könnte.
Ja, ich kenne und sehe hier deine große Sorge. Aber ich teile diese deine Befürchtung nicht:
Diese Zunahme der Prüderie wird weiter gehen, d.h. sich verstärken, bis es zu viel wird, sprich bis man sich in diesem selbstgebastelten Käfig nicht mehr wohl fühlen wird.
Bevor sich so ein prüder Käfig wird bilden können, wird die Jugend wieder ausbrechen und sich der Nacktheit zuwenden. Wann? Ich rechen damit bei meinen Urenkeln oder spätestens Ur-Urenkeln. Die Generation meines Enkels scheint sich in die Förmlichkeit des Großbürgertums meiner Großeltern hin zu entwickeln, obgleich denen die entsprechenden Vorbilder hierzu völlig fehlen.
Deine geschichtliche Abhandlung ist gut, ich trage diese mit einer kleinen Ausnahme mit. Die Frage stellt sich jetzt für mich, wer liefert den Wertekanon, an denen sich die Menschen ausrichten können. Die traditionellen Kirchen fallen im Augenblick hierfür völlig selbstverschuldet aus. Strenge Sekten haben sich hierfür nicht als eine dauerhafte Alternative anbieten können. Religiöser Fanatismus wird diese Rolle auch nicht übernehmen können, weil jede Form von Fanatismus geschichtlich gesehen jeweils nur eine kurze Zeitepoche überleben konnte. Wir laufen schon seit längerer Zeit in eine Situation der "Werteunsicherheit" hinein oder hindurch. Wieweit dieses auch in die Frage der Nacktheit hinein spielt, wage ich noch nicht zu sagen.
Wer diese Zusammenhänge verneint, sollte bitte eine bessere Theorie bringen, warum die einstige Begeisterung für die FKK nicht nur abgeflaut, sondern ins Gegenteil (Stichwort: knielangen Shorts!) verkehrt worden ist.
Gut, diese Herausforderung nehme ich und ggf. wir gerne an. Ich/wir versuchen ja jetzt, die verschiedenen Grundlagen zur Frage der Bedeutung der Nacktheit zu ergründen. Ob wir dabei deine Theorie bestätigen oder eine andere entwickeln, ja das weiß ich jetzt noch nicht. Ich bin da ganz ergebnisoffen.