Erstens ist Rousseaus und Eules Beispiel, man müsse einen jungen Menschen erziehen wie einen jungen Baum, sonst würde er nicht
zu einem guten und charakterlich wertvollen Menschen heran wachsen bzw. Erwartungen erfüllen können,
die ihm von seinen Erziehern und Eltern entgegen gebracht werden, ein irriges, denn die Mehrheit der Bäume findet ihre perfekte Form von ganz allein.
Zweitens ist Eules Vorstellung,
würde man den jungen Menschen nicht "beschneiden", so würde dieser sich zu einem charakterlich zweifelhaften Menschen entwickeln und dem Verderben preis gegeben., eine zutiefst pessimistische. Sie ist gewachsen auf dem Beet der katholischen Kirche, die den Menschen von Geburt an als schlecht bzw. als empfänglich für die Einflüsterung des sogenannten Bösen – des Teufels – ansieht. Konsequenz daraus: Auch Kinder müssen zur Beichte.
Nein, die Erziehung dient allein dem Zweck, sich in die Gemeinschaft, in die man zufällig hineingeboren worden ist, anzupassen. Hier wird einem beigebracht, was man darf, was man nur unter Umständen darf, und was keinesfalls geht.
In dieser Gesellschaft geht die vollkommene Nacktheit in der Öffentlichkeit nicht, es sei denn, man ist bereit in Kauf zu nehmen, als Sonderling zu gelten. Dabei wird eine sonderbare Unterscheidung gemacht zwischen Frauen und Männern: Nackte Frauen gelten als harmlos, nackte Männer werden aber in der Regel als Bedrohung empfunden – es denn, sie treten in einer Gruppe auf, vorzugsweise in einer, in der sich auch Frauen befinden.
Das ist Ergebnis einer Erziehung, die erst im letzten Jahrhundert etwas lockerer geworden ist – man darf nicht vergessen: Erst im Jahr 2000 darf man Kinder auch privat nicht mehr prügeln. Und warum gab das Prügeln überhaupt? Weil es in der Bibel steht:
Wer seine Rute schont, der hasst seinen Sohn; wer ihn aber lieb hat, der züchtigt ihn beizeiten.Und große Kirchenlehrer haben nie einen Zweifel daran gelassen, dass das richtig ist:
"Wer härter straft, zeigt grössere Liebe." Hl. Augustin
"Ein toter Sohn ist besser als ein ungezogener." Martin Luther
Ist es daher kein Wunder, dass die Menschen brav das tun, was die Mehrheit ihnen sagt, dass sie tun sollen – bzw. nicht tun, was sie nicht tun sollen. Es wird jetzt zwar überall pflichtschuldigst behauptet, die Nacktheit sei nichts Schlimmes, aber das Verhalten der Menschen sagt etwas anderes. Sie halten die Nacktheit eben doch für schlimm, sonst würden sie nicht so agieren bzw. reagieren.
Das ist der Unterschied zwischen Verstand – Nacktheit kann eigentlich nicht schlimm sein – und der bürgerlichen Moral, die das Gegenteil für zutreffend hält. Und da die bürgerliche Moral, wie sogar Eule es nun zugibt, lange Zeit identisch mit der von der Kirche gelehrten war, wissen wir, wem wir den jetzigen Zustand der bürgerlichen Moral zu verdanken haben.
Gut, aber was ist zu tun, damit es besser wird? Meine Antwort darauf: Weniger auf die hören, die sich nur mit ihren Lippen zur Nacktheit bekennen. Wer die sind? Allen Vertretern und Wähler der Parteien, die C im Namen tragen – und neuerdings auch der Partei, deren Name mit A* anfängt –, die nackte und kalte Schulter zeigen, denn sie sind es, die immer am Alten und Hergebrachten festhielten und festhalten. Beispiel: Sie waren es, die die Abschaffung der Prügelstrafe so lange verhinderten, und sie waren es, die die volle Gleichberechtigung der Frauen eben solange verhinderten – und jetzt die der Homosexuellen verhindern.
Zuletzt will ich noch ein wahres Wort zitieren:
Shiva205 hat geschrieben:Die Gesellschaft ändert sich nicht, wenn jeder die Gesetze befolgt. Sie ändert sich im Graubereich zwischen dem Erlaubten und dem Verbotenen
* Die mit A im Namen haben natürlich noch nichts verhindert, aber sie wollen die alten Zustände wieder einführen – eine der AfD-Forderungen ist: Frauen zurück ans Herd.
PS: Ich will noch hajo danken, für das Auskramen der Zitate bzgl. Renaissance, und auch Hans H. zu seinen Anmerkungen bzgl. Gehirns.